Persönlich
Ein frühlingshafter Nachmittag in der Café Bar Mokka an der Allmendstrasse in Thun. Am Abend steht weder ein Konzert noch sonst ein Anlass auf dem Programm ; trotzdem herrscht emsiges Treiben. Als wollte der Planet Mokka dem Universum sagen : Seht her, ich drehe mich auch abseits des glitzerglimmernden Rampenlichts. Einnehmen werden die Betreiberinnen und Betreiber an diesem Tag nichts. Aber Löhne bezahlen für die Menschen, die arbeiten und den Planeten in seinem Orbit um die Sonne mit Namen Kultur halten.
Im Backstage-Raum, an dessen Wänden schichtenweise globale Kulturgeschichte klebt, treffen wir Philippe Cornu zum Gespräch. Einst hat er den Plattenladen ZigZag gegründet – eines der letzten Refugien, in denen auch heute noch Tonträger erhältlich sind – und angefangen, in Thun Openair-Konzerte zu veranstalten. Heute steht er im Sold der Gadget abc Entertainment Group AG, deren Hauptaktionär die international tätige CTS-Eventim-Gruppe ist.
Du hast als KMU-Gründer angefangen und arbeitest heute für einen der grössten Event-Anbieter der Welt. Lässt sich Kultur heute noch rentabel betreiben ?
Philippe Cornu : Schwierige Frage. Die Funktion von Clubs als Orte, an denen man gemeinsam Musik entdeckt, verschwindet im digitalen Zeitalter immer mehr, zumindest, wenn man neueste Berichte aus der englischen Klub-Kultur liest. Aber es gibt immer noch all die Fans von Bands wie Steiner & Madlaina oder Black Sea Dahu, die bei den Konzerten dieser Acts genau ihr Ding finden. Es gibt wohl einfach weniger Leute, die bewusst Musik hören.
Was bedeutet das für die Branche ?
Philippe Cornu : Ein Agent in England sagte mir einmal : « Now, we have to deal with the soundtrack-generation. » Heisst : Wir müssen jetzt jenen Leuten ein Angebot machen können, die nicht mehr gezielt ein ganzes Album hören und einen Act feiern, sondern einfach Spotify öffnen, um sich die Playlist der Woche liefern zu lassen. Ich sage nicht, dass Kultur Mühe hat, zu bestehen. Die Frage ist nur : wo ?
« Die Funktion von Clubs als Orte, an denen man gemeinsam Musik entdeckt, verschwindet im digitalen Zeitalter immer mehr, zumindest, wenn man neueste Berichte aus der englischen Klub-Kultur liest. »
Philippe Cornu
Trotzdem : Heute muss jede Institution rentabel sein ; auch hier in Thun gibt es Bestrebungen, dem « Mokka » öffentliche Gelder zu kürzen.
Philippe Cornu : Wir können ja mal Bühnen Bern fragen, ob sie ein Stadttheater rentabel betreiben könnten mit all dem, was so eine Produktion mit sich bringt – Kulissen, Schauspielerinnen und Schauspielern, Tänzerinnen und Tänzern. Mit einem Wort : unmöglich ! Genau so ist es in kleinen Clubs wie hier dem « Mokka » – schon allein wegen der beschränkten Kapazität.
Aber eine Mühle Hunziken konnte vor zwei Jahren verkünden, sie könne den Betrieb jetzt ohne öffentliche Gelder finanzieren.
Philippe Cornu : Die Mühle Hunziken hat zunächst mal mehr als die doppelte Kapazität vom Café Mokka. Die « Mühli »-Crew um Chrigu « Stubi » Stuber betreibt einen gewaltigen Aufwand auf allen Ebenen und hat das Angebot mit den Openair-Konzerten am Teich im Sommer massiv ausgebaut. So, und mit dem Veranstalten von ganzen Konzertreihen von Acts, die für volles Haus sorgen, können sie immer wieder auch neuen oder noch weniger bekannten Künstlerinnen oder Künstlern eine Plattform bieten. Ein Bierhübeli kann mit Partys, die den Laden am Wochenende bis in die frühen Morgenstunden füllen, oder mit Firmenevents den Kulturbetrieb quersubventionieren.
Also ist Kultur ohne Kommerz nicht überlebensfähig ?
Philippe Cornu : Jein. Natürlich braucht es kommerziell erfolgreiche Acts mit Strahlkraft. Aber es gibt Organisationen wie die Suisa Foundation oder die Stiftung Phono Produzierende, die helfen, neuen Talenten eine Plattform zu bieten. Weil sie genau wissen : Diese Nachwuchsbands bringen momentan finanziell nichts ein – aber haben das Potenzial, sich zu entwickeln. Die Session Bühne am Seaside Festival in Spiez zeigt sehr gut, dass so ein Modell funktionieren kann. Marius Baer oder Veronica Fusaro sind nur zwei Namen, die dort aufgetreten sind und später auf der Hauptbühne standen.
Kann eine Entwicklung wie bei Nemo – Mitte 20, gut 10 Jahre nach seinem Debut, als Favorit auf den ESC-Sieg gehandelt – nachhaltig sein ?
Philippe Cornu : Nemos Entwicklung basiert für mich auf der Glaubwürdigkeit als kunstschaffende Person. Diese Person ist künstlerisch unglaublich begabt, macht sich sehr viele Gedanken zum eigenen Schaffen, hat sich enorm weiterentwickelt und verfügt über ein gewaltiges Potenzial. Ob der ESC jener Erfolg ist, den jemand in einer Karriere am ehesten erreichen will, kann ich nicht beurteilen.
Immerhin hat der Wettbewerb es geschafft, sich zu wandeln. Er verfügt seit Jahrzehnten über eine enorme Strahlkraft, die auch Schweizer Künstlerinnen und Künstler geschickt zu nutzen wussten.
Philippe Cornu : Im Vergleich mit Italien, Frankreich oder Deutschland hatte die Schweiz in Sachen Musik lange Zeit einen Komplex – « Hey nei, Schwizer Musig ? Huere piinlech » …
Haben wir den nicht immer noch ?
Philippe Cornu : Vielleicht. Ganz sicher hatten wir nie das Selbstverständnis wie etwa die Franzosen, für welche ihre Chansoniers einfach mal per se die Grössten waren. Wir nörgelten hier lange Jahre viel lieber am Englisch rum, das nicht akzentfrei ist, oder stellten die Glaubwürdigkeit von Bluesmusikern in Frage, die nicht aus dem Süden der USA kommen. Diese Haltung hat sich gewandelt. Patent Ochsner oder Züri West haben das Standing von Mundart-Musik zementiert. Auch im Hip-Hop ist mittlerweile eine zweite Generation am Start, die mit einem enorm gesunden Selbstverständnis zu Werke geht.
Du wurdest vor kurzem 65-jährig. Würdest du dem 20-jährigen Philippe raten, ins Musikbusiness einzusteigen ?
Philippe Cornu : Ich habe sechs Kinder. Und ich sage allen : Das Wichtigste ist, dass du eine Leidenschaft findest, die dich durchs Leben begleitet. Ich wollte ursprünglich Fotograf lernen, aber weil ich keine Lehrstelle fand, absolvierte ich die École supérieure de Commerce de Neuchâtel. Mein Initial-Erlebnis mit Musik und eigentliche Wegbereitung war der Auftritt der Stones 1973 in der alten Festhalle in Bern. Ich war 14 und wusste schon damals : Ich will mehr von dieser Energie erleben und wenn immer möglich, solche kollektiven Erlebnisse ermöglichen.
Und wie lange trägt dich diese Leidenschaft noch weiter ?
Philippe Cornu : Es gab im ZigZag Momente, in denen Wale und ich uns gefragt haben, welche Trends wir alle noch mitmachen wollen. Ich bin ehrlich : Nicht alle Musik, die gerade angesagt und gefragt ist, lässt mich freudig strahlen. Aber wir sind uns einig : So lange jedes Jahr mindestens ein Release erscheint, der bei uns Gänsehaut auslöst, machen wir weiter.
Seit Jahren zählt Philippe Cornu bei all seinen Festivals auf die stets zuverlässigen Internetanbindungen aus dem Hause mobile4business, um die Veranstaltungen sorglos zu versorgen.